Huldrych Zwingli und die Zürcher Reformation
Einleitung
Das Gebiet von Stadt und Land Zürich war kirchlich dem Bistum Konstanz zugeordnet. Während des Spätmittelalters war das religiöse Leben in der Stadt durch eine Vielzahl von Praktiken geprägt, wobei die Verehrung von Felix und Regula eine zentrale Rolle bei der Identitätsbildung spielte. Kirchliche Einrichtungen wie Kirchen und Klöster hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Stadt und wurden von der Bevölkerung, ebenso wie das Krankenhaus und die Leprosorien, grosszügig unterstützt. Im 13. Jahrhundert wurden die ersten Frauenklöster (Oetenbach, St. Verena, Selnau) und Klöster von Bettelorden (Augustiner-Eremiten, Franziskaner, Prediger) gegründet. Beginen und Begarden, die ohne formelle Gelübde ein religiöses Leben führten, lebten meist in der Nähe dieser Bettelorden.
Die Äbtissin des Fraumünsters war gleichzeitig Reichsfürstin und Stadtherrin. Sie hatte das Recht, Münz- und Zollrechte zu verleihen und städtische Rechtsgeschäfte mit ihrem Siegel zu bestätigen. Doch bereits ab dem Ende des 13. Jahrhunderts gerieten die grundherrschaftlichen Rechte und Privilegien der Abtei zunehmend unter den Einfluss der wirtschaftlich aufstrebenden Bürgerschaft. Diese begann, lange vor der Reformation, in die Angelegenheiten der Fraumünsterabtei und anderer kirchlicher Einrichtungen einzugreifen. Der Rat, bestehend aus Vertretern der Constaffel und der Zünfte, übernahm als neue Autorität zunehmend die Kontrolle über religiöse Angelegenheiten und leitete die kirchliche Erneuerung in Stadt und Land ein. Ähnliche Entwicklungen fanden auch in anderen Städten statt, die sich der Reformation in der Eidgenossenschaft anschlossen. Für alle diese Städte war die Reformation vor allem ein Teil ihrer eigenen politischen Reform.
Ein Neubeginn im Glauben
In der Geschichte der Reformation nimmt Huldrych Zwingli eine zentrale Rolle ein, insbesondere in Bezug auf die religiösen Umbrüche in der Schweiz.
Geboren am 1 Januar 1484 in Wildhaus, im Kanton St. Gallen, war Zwingli nicht nur als Reformator tätig, sondern auch als Priester, Humanist und Gelehrter. Sein Einfluss auf die religiöse Landschaft Zürichs und darüber hinaus ist unbestreitbar und wirkt bis heute nach. Seine Theologie wurde in der zweiten Generation von Heinrich Bullinger und Johannes Calvin weitergetragen.
Die frühen Jahre
Zwingli erbte von seinem Vater einen wachen Geist. Dieser erkannte früh, was in seinem Sohn steckt. So bringt ihn dieser 1489 im alter von nur 5 Jahren nach Weesen am Walensee. Hier lebt der junge Huldrych Zwingli von 1489 bis 1494 bei seinem Onkel Bartholomäus Zwingli.
Bartholomäus Zwingli, seit 1487 Pfarrer in Weesen, wohnte in der Kaplanei gleich neben der Heiligkreuzkirche. Beide Gebäude stehen noch heute. Der Grund für die Übersiedlung des kleinen Ueli an das Westende des Walensees war die Bildung. In Weesen erhielt er seinen ersten Schulunterricht, der den Grundstein für seine späteren akademischen Bestrebungen legte. Man darf annehmen, dass Ulrich von seinem Onkel liebevoll betreut wurde und nicht mit Prügel und Paukerei wie Luthers Lehrer in Mansfeld.
Umfassende Bildung
1494 wechselte Zwingli an die Lateinschule in Basel und danach an die Lateinschule in Bern zu den Dominikanern. Wegen seier grossen Musikalität, Zwingli war ein sehr guter Sänger so versuchten ihn die Dokinikaner den in der Kompositionslehre bereits geschulten Jüngling für ihr Kloster zu gewinnen.
Da wehrt sich aber sein Vater und schikt ihn 1498 mit knapp 15 Jahren an die Universität Wien. Die Universität Wien war die Hochburg des europäischen Humanismus. Dort freundet sich Zwingli mit dem bereits angesehenen Humanisten und Mediziner Joachim von Watt an.
Nach Wien führte Zwingli sein Studium an der Universität Basel fort. Zwischen 1502 bis 1506 begegnet er zahlreichen kritischen Geistern, die den Ruf Basels als Stadt des Buchdrucks schätzen.
Sein bedeutendster Lehrer, Thomas Wyttenbach, äussert scharfe Kritik am Ablasshandel und fordert das Studium des Griechischen, damit Theologen das Neue Testament im Original verstehen können. Ebenso prägt der Humanist Erasmus von Rotterdam den wissbegierigen jungen Intellektuellen. Zwingli ist gleichermassen versiert in der klassischen Dichtung und der Philosophie des Aristoteles wie in der Theologie von Thomas von Aquin und Wilhelm von Ockham.
Wahl zum Pfarrer in Glarus
Erst in den späteren Jahren seines vielseitigen Studiums entscheidet sich Zwingli für den Priesterberuf. Nach bestandener Zulassungsprüfung in Konstanz wird er bereits mit 22 Jahren zum Pfarrer von Glarus berufen. Die Weihe empfängt er vom Bischof in Konstanz, bevor er die Pfarrstelle antritt. Allerdings muss er, obwohl sowohl von der Gemeinde als auch vom Bischof gewählt, die Pfarrpfründe einem römischen Günstling für viel Geld abkaufen – ein anschauliches Beispiel dafür, wie kirchliche Ämter zentralistisch und kommerziell vergeben werden. In Glarus gelingt es ihm, die rund 1300-Seelen-Gemeinde davon zu überzeugen, 1510 auf der Landsgemeinde eine Lateinschule zu beschliessen. Als Lateinlehrer wird Zwingli zu einer prägenden Figur im Leben von Aegidius Tschudi, dem später berühmten Chronisten der Eidgenossenschaft und entschiedenen Gegner von Zwinglis Reformation.
Begeisterung für das Neue Testament von Erasmus
Trotz seiner zahlreichen Verpflichtungen als engagierter Pfarrer, der mehrere Kapläne beaufsichtigt, setzt Zwingli seine Studien unermüdlich fort. Er steht im Austausch mit den bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit und lässt sich die neuesten Werke aus den gerade aufblühenden Verlagen direkt nach Hause liefern. Als 1516 das Neue Testament in einer neuen Ausgabe von Erasmus erscheint, ist er wie elektrisiert. Die kritische Ausgabe des griechischen Urtextes und die neue lateinische Übersetzung sind für Zwingli eine echte Offenbarung. Brecht hätte diese "Verfremdung" der altbekannten Vulgata wohl treffend beschrieben.
Diese Ausgabe eröffnet Zwingli einen völlig neuen Zugang zur Botschaft Jesu. Im Jahr 1516 fühlt er sich regelrecht wie neu geboren und beginnt, das Evangelium zu predigen. Besonders wichtig ist ihm zu betonen, dass er schon vor Luthers Thesenanschlag zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Allerdings merkt der Historiker Euan Cameron nicht ohne Grund an: „Wenn Zwingli tatsächlich gleichzeitig mit Luther, aber völlig unabhängig von ihm, die reformatorische Kernbotschaft der Erlösung durch den Glauben entdeckt hat, dann wäre das einer der erstaunlichsten Zufälle des 16. Jahrhunderts“ (The European Reformation, Oxford 1991)
Bittere Erfahrungen als Feldprediger
Zwingli ist nicht nur ein führender Kopf, der weit über das Glarnerland hinaus Beachtung findet, sondern sammelt auch praktische Erfahrungen, die ihn dazu bringen, sich aktiv in die Politik einzumischen. Zweimal begleitet er als Feldprediger die einheimischen Söldner nach Oberitalien, wo der deutsche Kaiser, der französische König und der Papst in einem blutigen Machtkampf aufeinandertreffen. Besonders prägend wird für ihn die Teilnahme an der Schlacht von Marignano 1515, wo er zusammen mit dem Zürcher Bürgermeister und Befehlshaber der eidgenössischen Truppen, Markus Röist, dabei ist. In diesem brutalen Gefecht, bei dem Tausende auf beiden Seiten fallen, erlebt Zwingli hautnah die Zerrissenheit der Eidgenossenschaft, da Schweizer auf verschiedenen Seiten gegeneinander kämpfen.
Nach dieser verheerenden Niederlage beginnt Zwingli, das Söldnerwesen radikal in Frage zu stellen.
Zuhause in Glarus ist er nach den Feldzügen mit den Folgen konfrontiert: Witwen, Waisen, trauernde Eltern und Geschwister suchen seinen Beistand. Diese Erlebnisse treiben ihn dazu, sich noch stärker politisch und gesellschaftlich zu engagieren. Gestützt auf die Bibel reflektiert er über das erlebte Unrecht und entwickelt sich vom Theologen zum scharfen Gesellschaftskritiker.
Der Historiker Franz Rueb beschreibt den zeitgenössischen Hintergrund dieser Ereignisse: «Nach den Erfolgen der Burgunderkriege wurde die Schweiz zu einem regelrechten Menschenmarkt, auf dem sich die Grossmächte Europas gegenseitig überboten. Die dunklen Seiten dieses Handels zeigten sich in den verrohten Söldnern, die nach ihrer Rückkehr, der ehrlichen Arbeit entwöhnt, faul und von der Mildtätigkeit abhängig waren, wenn sie sich nicht durch Gewalt und Plünderung am Leben hielten.»
Zwingli, der in der Schlacht von Marignano die grausame Realität des Söldnerlebens und die zerstörerischen Konsequenzen für die Schweiz miterlebt hat, stellt nach 1515 das Söldnerwesen grundsätzlich in Frage. Seine Überzeugung, dass das Amt des Geistlichen ihn verpflichtet, auch politisch Position zu beziehen, wird immer stärker:
Die Eidgenossenschaft gehört den Eidgenossen. Jene Soldherren, die das Land in fremde Kriege treiben und junge Männer gegen fette Pensionen an fremde Mächte verkaufen, verraten das Vaterland. Daher fordert er: Hände weg vom Blutgeld der Pensionen! Vermeidet die Einmischung in fremde Händel! Damit kommt Zwingli den Ansichten von Niklaus von Flüe erstaunlich nahe, der 1481 beim Stanser Verkommnis vermittelt hatte. Obwohl die Eidgenössische Tagsatzung bereits 1503 den Söldnerhandel verbietet, bleibt das Verbot wirkungslos. Zwinglis entschiedene Haltung in dieser Frage ebnet ihm den Weg nach Zürich, wo er beginnt, das Söldnerwesen auf lokaler Ebene zu beenden. Tatsächlich ist Zürich der einzige Stand, der zu Beginn der 1520er Jahre das Söldnerwesen abschafft.
Zwingli in Einsiedeln
Nach seiner Berufung in das Benediktinerkloster Einsiedeln 1516 sollte Zwingli dort als Priester wirken. Das Kloster war ein bedeutender Wallfahrtsort, an dem Pilger Ablass und Erlösung von ihren Sünden suchten. Die Klosterleitung und die oberen Schichten erwarteten von Zwingli, dass er durch seine Predigten den Zustrom der Pilger vergrössern und so die Einnahmen steigern würde. Zwingli füllte tatsächlich die Kirche bei den Messen, doch seine reformatorische Haltung führte dazu, dass weniger Geld eingenommen wurde. Er predigte schon in Einsiedeln gegen den Ablasshandel, was viele Pilger davon abhielt, weiterhin Ablass zu kaufen.
Die religiösen Praktiken, die Zwingli im Kloster vorfand, weckten in ihm zunehmend Zweifel. Er sah, wie der Wallfahrtskult um Heilige sowie der Ablasshandel die spirituelle Tiefe des Glaubens überlagerten. Diese Erfahrungen in Einsiedeln führten ihn dazu, den Heiligenkult und andere kirchliche Traditionen zunehmend zu hinterfragen. Parallel dazu vertiefte Zwingli seine theologische Ausbildung und las intensiv Werke von Humanisten wie Erasmus von Rotterdam. Erasmus’ Kritik an kirchlichen Missständen und sein Ruf nach einer Rückkehr zur biblischen Lehre beeinflussten Zwingli stark.
Auch wenn die Zeit in Einsiedeln von intellektueller und spiritueller Reifung geprägt war, legte sie den Grundstein für Zwinglis spätere reformatorische Bestrebungen. Er knüpfte wichtige Kontakte und entwickelte erste Ansätze seiner kirchenkritischen Haltung, die er später in Zürich konsequent weiterverfolgen sollte.
Zwinglis Berufung ans Zürcher Grossmünster
Im Jahr 1517 war Ulrich Zwingli bereits in Zürich tätig, jedoch noch nicht als Leutpriester am Grossmünster. Er hatte sich bereits vorab in der Stadt etabliert und begann, sich als Prediger und Theologe zu engagieren. Erst am 1. Januar 1519 wurde Zwingli offiziell als Leutpriester am Grossmünster berufen. Seine erste Predigt hielt er am Neujahrstag 1519, was seinen offiziellen Beginn in dieser wichtigen Position markierte.
Die Ernennung Zwinglis als Leutpriester am Grossmünster war besonders bemerkenswert, da normalerweise der Bischof von Konstanz für die Ernennung von Pfarrern zuständig war. Im Fall Zwinglis wurde der Bischof jedoch nicht konsultiert, was die besondere Stellung Zürichs und die politische Stärke der Stadt unterstreicht. Diese Entscheidung markierte den Beginn einer tiefgreifenden Veränderung in der Zürcher Kirchenlandschaft und zeigte Zürichs Unabhängigkeit gegenüber dem Bistum Konstanz.
Die kurzen und folgenschweren Jahre am Zürcher Grossmünster
Die Wiederentdeckung der Bibel als zentraler Massstab des Christentums prägte alle Reformatoren, doch ihr Bibelverständnis unterschied sich deutlich. Zwingli hielt sich in seiner Reformation an eine offene Interpretation der Heiligen Schrift, was ihn in Konflikte mit anderen Glaubensrichtungen brachte, etwa mit den Täufern. Diese Auseinandersetzungen waren typisch für die Zürcher Reformation und führten zu einer späteren, eher pluralistischen Auslegung im reformierten Glauben, die jedoch auch Risiken der Beliebigkeit barg. Luther hingegen konzentrierte sich stärker auf den Glauben und das Vertrauen in Christus, wodurch er eine klarere, inhaltliche Rückbindung jeder Bibelauslegung betonte.
Eine atemberaubende Dynamik
Zwinglis Reformprozess begann schon Jahre vor seiner offiziellen Ankunft in Zürich, doch bei seiner ersten Predigt im Grossmünster am Neujahrstag 1519 war das Ausmass seiner Reform noch nicht voll entwickelt. Die Schnelligkeit, mit der die Reformation in Zürich Fuss fasste, beschleunigt durch die engagierte Bürgerschaft und die Selbstbestimmung der Stadt, war bemerkenswert. In nur zwölf Jahren verwandelte sich Zürich von einer katholischen Stadt in eine Hochburg der Reformation. Als Zwingli 1531, kurz vor seinem Tod in der Schlacht bei Kappel, in die Stadt zurückblickte, schaute er auf eine Stadt, die er kaum wiedererkannte.
Die Scheidung von Gottes Wort und menschlichem Werk
Zwinglis reformatorische Bewegung nimmt ihren Anfang in seinen Predigten und Schriften. Als Humanist folgt er der Devise "Zurück zu den Quellen" und widmet sich intensiv der Bibel. Dadurch erkennt er viele kirchliche Traditionen, Rituale und den Heiligenkult als bloßes Menschenwerk. Für viele Gläubige ist der Religionsbetrieb längst eine Last, und der ursprüngliche Geist des Evangeliums scheint darin kaum noch erkennbar.
Zwingli gelingt es, den Unterschied zwischen Gottes Wort und menschlichen Vorschriften offenzulegen, was ihm enormen Zulauf beschert. Einige nutzen diese Unterscheidung, um die Autorität der Kirche zu hinterfragen. Die Kirche verteidigt jedoch ihre Traditionen, da ihre Macht davon abhängt. Diese Spannungen zwischen göttlichem und menschlichem Werk prägen bis heute das ökumenische Drama. Modernen Bibelkritikern zufolge hat Jesus selbst keine Kirche gegründet, was Zwingli nicht wusste. Das stellt die kirchlichen Dogmen und Gebote als bloß menschliche Erfindungen infrage.
Das Wurstessen als Auslöser der Reformation
Ein entscheidender Moment der Reformation ereignet sich am Fastensonntag 1522, als Christoph Froschauer, ein Drucker, mit Freunden öffentlich Wurst isst. Zwingli, der dabei anwesend ist, isst selbst nicht, weist aber darauf hin, dass Fastengebote kirchliche, keine göttlichen Anordnungen sind. Der Vorfall erregt grosses Aufsehen, der Stadtrat und der Bischof müssen reagieren. Zwingli thematisiert das Wurstessen in seiner nächsten Predigt, die bald gedruckt verbreitet wird.
Die bischöfliche Untersuchung bleibt wirkungslos, und der Stadtrat sieht sich zunehmend in der Rolle, auch über kirchliche und theologische Fragen zu entscheiden. Er verpflichtet alle Prediger auf das Schriftprinzip.
Zwinglis Durchbruch bei der ersten Disputation
Auf Zwinglis Anraten beruft der Stadtrat eine Disputation ein, bei der er 67 Thesen über „Gottes Wort oder menschliche Tradition“ vorlegt. Am 29. Januar 1523 versammeln sich 240 Ratsmitglieder und etwa 400 Geistliche im Zürcher Rathaus, um zu diskutieren. Zwingli argumentiert mit der Bibel in lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache und dominiert die Debatte über Themen wie Ablass, Fasten und Zölibat.
Generalvikar Faber stellt lediglich die Rechtmässigkeit der Versammlung infrage, was die Mehrheit jedoch nicht beeindruckt. Am Ende wird Zwingli vom Rat beauftragt, das Evangelium weiterhin zu verkünden, während jegliche Diffamierungen verboten werden.
Demokratisch-synodale Reformation
Während Luther seine Lehre unter dem Schutz von Fürsten recht autoritär verbreitet, setzt Zwingli in Zürich auf demokratische Prozesse. Er ringt um die Zustimmung des Rates, was zur Emanzipation der Zürcher Kirche vom Bistum Konstanz führt. Später wird jedoch die fehlende Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Macht kritisiert, insbesondere nach Zwinglis Tod. Sein Nachfolger Bullinger fordert, dass das Evangelium auch politische Relevanz haben darf.
Die erste Synode und der Einfluss auf spätere Kirchen
Zwingli führt 1528 regelmäßige Synoden ein, in denen über kirchliche Reformen beraten wird. Diese synodale Struktur prägt die reformierte Kirche und findet später sogar Einfluss auf die politische Verfassung der Vereinigten Staaten. In der römisch-katholischen Kirche führt das Zweite Vatikanische Konzil diese Form der Entscheidungsfindung wieder ein, und Papst Franziskus setzt verstärkt auf das synodale Prinzip.
Feindseligkeit in der Eidgenossenschaft
In der Eidgenossenschaft stößt Zwinglis Reformation auf heftigen Widerstand. Die Innerschweizer Orte drohen Zürich 1524 mit Krieg, und die Tagsatzung verurteilt Zwingli auf einer Disputation in Baden. Doch Basel, Bern und Schaffhausen verweigern die Unterschrift.
Der Bildersturm und die Abschaffung der Messe
Zwinglis Freund Leo Jud fordert in einer Predigt 1523 die Zerstörung religiöser Bildnisse, was die Täufer zu radikalen Aktionen verleitet. Daraufhin beruft der Stadtrat eine Disputation ein, die zur Entfernung aller Bilder und Heiligenfiguren aus den Kirchen führt. In einer weiteren Revolution werden auch die Orgeln entfernt, da Zwingli den Gottesdienst auf das Wort konzentrieren will.
Der Rat zögert lange, die Messe abzuschaffen, doch schließlich fordert der radikale Flügel 1525 ein schlichtes Abendmahl ohne Priesterbeteiligung. Der Rat gibt nach und schafft die Messe endgültig ab. Zwinglis klare Ablehnung der Transsubstantiation spaltet die Reformation in Lutheraner und Reformierte.
Die Aufhebung der Klöster und Einführung des Ehegerichts
Zwingli setzt sich auch für die Aufhebung der Klöster ein. Die Äbtissin des Fraumünsters übergibt das Stift der Stadt, und die Klostergüter fließen in soziale Einrichtungen. Zwingli heiratet 1524 Anna Reinhart und verfasst eine neue Eheordnung, die die Ehegerichtsbarkeit dem Stadtrat überträgt. Damit wird der Zölibat für Priester faktisch aufgehoben.
Kappeler Kriege und Zwinglis Ende
Der erste Kappeler Krieg endet 1529 friedlich mit der berühmten „Kappeler Milchsuppe“.
Die wirtschaftlichen Sanktionen, die Zürich und Bern gegen die katholischen Orte verhängten, sollten diese zur Reformation zwingen, provozierten jedoch den militärischen Gegenschlag. Die katholischen Orte, durch das Embargo stark unter Druck gesetzt, mobilisierten eine Armee von etwa 7.000 Mann und besammelten sich in Kappel am Albis.
Die Zürcher, zahlenmässig stark unterlegen mit nur etwa 2.000 Mann, entschieden sich dennoch, gegen die katholische Übermacht anzutreten. Am frühen Morgen des 11. Oktobers 1531 marschierten sie nach Kappel, ohne ausreichend vorbereitet oder organisiert zu sein. Der lange Fussmarsch von rund sieben bis acht Stunden erschöpfte die Truppen zusätzlich. Als sie schliesslich auf das katholische Heer trafen, waren die Zürcher schlecht positioniert und zu geschwächt, um dem Angriff standzuhalten. In der Schlacht von Kappel am 11. Oktober 1531 wurden die Zürcher vernichtend geschlagen. Huldrych Zwingli fiel ebenfalls an diesem Tag.
Anmerkung: Gemäss der Chronik von Huldrych Zwinglis Sterben von Oskar Farner, verstarb Zwingli in der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober 1531. Andere Quellen sagen, in der Abenddämmerung des 11. Oktober 1531.
Der am Bein verletzte und stark blutende Zwingli sagte gemäss Überlieferung den Satz: "Den Leib können sie tödten, nicht aber die Seele". So steht es in der 1. Biographie über Huldrych Zwingli welche bereits einige Monate nach Zwinglis Tod durch Oswald Myconius verfasst wurde.
Zwingli wurde gevierteilt, und seine Überreste wurden anschliessend verbrannt. Dieser symbolische Akt sollte nicht nur seine körperliche Vernichtung demonstrieren, sondern auch seine Ideen und seinen Einfluss auslöschen. Die Asche von Zwinglis Leiche wurde schliesslich verstreut, um zu verhindern, dass ihm ein Märtyrerkult gewidmet werden konnte.
Oswald Myconius schrieb es in folgenden Worten nieder:
DD Ioannis Oecolampadii et Huldrichi Zvinglii epistolarum libri quatuor.pdf
"So wie ich ihn am Morgen hinausgehen sah, hörte ich am Abend die Nachricht, dass es zwar heftige Kämpfe gab, aber erfolglos, und dass Zwingli gestorben sei. Sie sagten, er sei bereits dreimal von der überwältigenden Menge niedergedrückt worden, aber er sei immer wieder aufgestanden; beim vierten Mal sei ihm eine Lanze unter das Kinn gestossen worden, er sei auf die Knie gefallen und habe gesagt: "Ist das ein Unglück? Nun gut, sie können den Körper töten, aber sie können die Seele nicht töten." Und nach diesen Worten schlief er im Herrn ein. Nachdem den Feinden Ruhe gegeben wurde (denn unsere Leute waren in einen sichereren Ort zurückgegangen), wurde nach Zwinglis Leichnam gesucht (und wer hätte so schnell berichtet, ob er anwesend war oder getötet wurde?): Er wurde gefunden, verurteilt, in vier Teile zerlegt, ins Feuer geworfen und zu Asche verbrannt.
Nachdem die Feinde am dritten Tag abgezogen waren, kamen die Anhänger Zwinglis, um zu sehen, ob sie irgendeine Reliquie von ihm finden könnten, und siehe da, das Herz (wunderbar zu sagen) bot sich ihnen aus der Mitte der Asche ganz und unversehrt dar. Die guten Männer waren erstaunt und erkannten es als ein Wunder an, aber sie verstanden es nicht. Daher freuten sie sich, Gott zu danken, was auch immer es war, und waren ein wenig froh, als ob sie mehr über die Aufrichtigkeit des Mannes im Herzen gewiss wären, die von oben kam. Kurz darauf kam ein mir sehr bekannter, ja vertrauter Mann zu mir und bat mich, ob ich einen Teil von Zwinglis Herz sehen möchte, den er in einer Schatulle bei sich trug. Da mich aufgrund dieses unerwarteten Gesprächs eine gewisse Furcht durchzog, lehnte ich ab, obwohl ich sonst ein Augenzeuge dafür sein könnte."
Diese Niederlage war ein einschneidendes Ereignis für die Reformation in der Schweiz, da sie das reformatorische Zürich militärisch und politisch schwer schwächte und die katholischen Orte in der Eidgenossenschaft für lange Zeit dominierend blieben.
Zwinglis Erbe
Das Erbe von Huldrych Zwingli trat im Frühling 1532, Heinrich Bullinger an. Er kam als Flüchtling mit seiner Frau Anna und ihren zwei kleinen Kindern nach Zürich. Er wurde aus Bremgarten, welches wieder zum katholischen Glauben zurückkehrte, vertrieben.
Schon am Sonntag nach seiner Ankunft hielt er eine Predigt auf Zwinglis Kanzel im Grossmünster, die so kraftvoll war, dass manche dachten, Zwingli sei wiederauferstanden wie der Phoenix.
Im selben Jahr, am 9. Dezember, wurde er im Alter von 27 Jahren zum Antistes der Zürcher Kirche gewählt und nahm das Amt erst an, als ihm der Rat versicherte, dass er seine Predigten frei halten könne, selbst wenn er Kritik an der Regierung üben müsste. Er blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod am 17. September 1575.
Wir besuchen auf der Stadtführung das Grossmünster als Ausgangspunkt der Reformation sowie das Fraumünster wo Huldrych Zwingli predigte.
Spannend dabei ist, dass Katharina von Zimmern, die spätere Äbtissin des Klosters Fraumünster in Weesen direkt neben Huldrych gewohnt hatte.
Die beiden treffen sich später in Zürich wieder. Die Jugendbekanntschaft war demnach für Zwingli ein Türöffner und dürfte ihm den Weg geebnet haben, dass der Reformator im Fraumünster predigen konnte.